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«Wenn du an dich glaubst, dann kannst du. You can! Das sage ich zu mir selbst aber auch während der Arbeit zu anderen.»

Interview mit Flores Reichen, Küchenangestellte mit agogischen Aufgaben

Seit wann arbeitest du in der Küche der Stiftung WBM, und wie bist du dazu gekommen?
Ich arbeite seit Februar 2024 hier. Ich bin wegen meinem Freund auf Herzogenbuchsee gezogen und hatte davor auch schon in einer Stiftung in Biel gearbeitet. Dabei hatte ich den Arbeitsweg etwas unterschätzt – der war doch etwas länger als gedacht. Deshalb reichte ich dann bei der Stiftung WBM eine Spontanbewerbung ein. Bereits nach ca. 3 Tagen erhielt ich das Telefon ich dürfe zum Schnuppern vorbeikommen. Und drei Monate später durfte ich dann hier beginnen.

Meine Lehre habe ich beim Bund gemacht und nach der Lehre ein Jahr in der Gastronomie gearbeitet. Per Zufall traf ich dann auf die Stelle in der Stiftung in Biel als Köchin mit agogischen Aufgaben. Ich habe einen Bruder mit Autismus und dementsprechend bereits eine Lebenserfahrung von Menschen mit Unterstützungsbedarf. Deshalb dachte ich, das passt eigentlich ganz gut: Kochen als meine Leidenschaft und Beruf in Kombination mit meiner Erfahrung von Personen mit Unterstützungsbedarf.

 

Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?
Wir beginnen um 07.00 Uhr. Dann bereiten wir als erstes die Kaffeemaschine vor und backen Brötchen und Gipfeli auf. Meine Aufgaben sind dann das Menü und das Vegimenü zum Mittagessen zu kochen. Als erstes bereite ich dafür die Suppe vor, dann meistens das Fleisch, danach Stärkebeilagen und Gemüse – Das alles sollte bis um 11.00 Uhr fertig sein. Dann wird alles regeneriert und von 11.30 bis 12.15 Uhr findet der Mittagservice statt. Danach machen wir selber Mittag.
Am Nachmittag reinigen wir dann alles, waschen ab und machen das Mise en Place für den nächsten Tag: Gemüse schneiden, alles abwägen und vorbereiten – so dass wir am nächsten Tag dann wieder von vorne beginnen können.

 

Was unterscheidet die Küche der WBM von anderen Arbeitsplätzen in diesem Bereich?
Hier weiss man, was auf einen zukommt. Meistens weiss man; heute gibt es 50 Menüs und 10 Vegis. Im Gastro sonst kann es sein, dass man ein sehr gutes Mise en Place hat aber dann nur 2 Gäste – oder umgekehrt ein nicht so gutes Mise en Place und man wird überrennt. Auch der geregelte Arbeitsalltag hat man sonst in der Gastronomie weniger. Arbeiten von 07.00 – 16.00 Uhr und das Wochenende frei ist hier natürlich sehr cool.

 

Was macht die Arbeit in der Küche der WBM Stiftung für dich besonders erfüllend?
Die Leute. Wirklich. Ich komme so gerne jeden Tag hier arbeiten. Was man hier erlebt und was ich hier lache, das hat man in anderen Jobs nicht. Diese direkte Art und die lustige Weise, das witzeln untereinander. Der Kontakt mit all den Menschen – das ist das erfüllende für mich.

Beispielsweise wenn man am Schöpfen ist, kommen die Leute ein bisschen «cho schnorre» und es findet eine lustige, ehrliche Kommunikation statt, die man an anderen Orten so nicht erlebt.

 

Welche speziellen Herausforderungen bringt das Arbeiten in der Küche der Stiftung WBM mit sich?
Man kann mit den Mitarbeitenden nicht fix planen. Man weiss nicht was sie für eine Tagesverfassung haben werden. Deshalb kann nicht im Vorhinein gesagt werden: «du machst morgen das, du das und du das.» Es wird am Anfang des Tages aufgenommen wie die Situation heute bei den einzelnen Personen ist. Wer ist heute wofür im Stande? Man muss also sehr spontan und flexibel sein falls mal jemand ausfällt oder es jemandem nicht so gut geht.
Der Kernauftrag bleibt aber so oder so immer gleich; um 11.30 Uhr muss das Essen bereitstehen für den Mittagservice. Wir können nicht sagen: «Heute ging es einigen nicht so gut, deshalb gibt es erst um 14.00 Uhr Zmittag, sorry!» Man muss also sehr flexibel sein und auch spontan gut organisieren können.

 

Welche Rolle spielt Teamarbeit in deiner täglichen Arbeit?
Eine sehr grosse Rolle! Wir sind ein eingespieltes Team. Jeder hat seine Aufträge und Ämtli und wenn etwas mal nicht funktioniert unterstützt man einander. Das ist schon sehr wichtig bei uns.

 

Kannst du ein Beispiel nennen, wie Inklusion in der Küche der Stiftung WBM praktisch umgesetzt wird?
Grundsätzlich arbeiten wir alle zusammen, damit schlussendlich das Essen auf dem Tisch steht. Dabei arbeiten bei uns Menschen mit verschiedenen Stärken. Mein Auftrag ist es, Mitarbeitende anzuleiten und dafür zu sorgen, dass das Essen rechtzeitig fertig ist.

Unsere Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung sind, wenn es ein Mischgemüse gibt, sicher dafür zuständig. Rüsten, schneiden und vorbereiten gehört dann zu den Aufgaben. Oder auch ein Dessert machen – mit oder ohne Unterstützung. Wir haben auch sehr selbstständige Mitarbeitende bei uns, die den Salat ganz selbst machen. Sobald der Ofen oder Anbraten ins Spiel kommen, wird jeweils das Niveau der Person abgeschätzt – Hitze kann je nach dem zu gefährlich sein. Dann unterstütze oder übernehme ich. So macht jeder, was er kann damit wir am Schluss zusammen ein Mittagessen zubereitet haben.

 

Gibt es bestimmte Gerichte oder Projekte, auf die du besonders stolz bist?
Ja – das ist zwar nicht auf diese Stiftung hier bezogen. Aber am ehemaligen Arbeitsort war ich für eine Person mit Trisomie 21 verantwortlich in der Küche. Diese Person wurde hauptsächlich für den Abwasch und das Abtrocknen eingesetzt. Ich zeigte ihm aber dann wie man Apfelbrei macht. Äpfel rüsten, alles bereitstellen, etc. Das war ein Prozess von mehreren Wochen. Am Schluss waren wir dann so weit, dass ich sagen konnte «Du kannst jetzt Äpfel rüsten und alles für den Apfelbrei bereit machen» und er konnte dann selbstständig sein Schneidebrett, die rutschfeste Unterlage und Rüstkesseli hervornehmen und wusste von selbst wo die Rüstabfälle am Schluss weggeworfen werden. Das fand ich sehr schön. Dass er dann nicht mehr nur abwaschen und abtrocknen musste. Und auch er hatte eine riesen Freude dabei.

 

 

Welche Weiterbildungen oder Schulungen hast du besucht und wie haben sie dir in deiner Arbeit geholfen?
Ich bin derzeit dran das Wirtepatent zu absolvieren. Das mache ich vor allem aus persönlichem Interesse heraus und hatte damit schon vor dieser Stelle hier begonnen. Aber natürlich nützt mir dieses Wissen auch sehr bei meiner Arbeit hier.

Ich finde den Kurs sehr spannend und lerne gerne. Das Wirtepatent ist eigentlich etwas Cooles, das man Nebenbei noch machen kann. Da ich den Kurs im Selbststudium absolviere, habe ich keine Präsenzzeiten und kann diesen gut mit meiner Arbeit kombinieren.

Den Einstiegerkurs Agogik habe ich zudem bereits absolviert. Zukünftig würde ich gerne auch noch die Weiterbildung zur Arbeitsagogin machen. Aber schon beim Einstiegerkurs erhielt man guten Einblick über die verschiedenen Beeinträchtigungen und den Umgang mit den jeweiligen Personen. Dieses Wissen hilft mir schon auch sehr im Arbeitsalltag.

 

Gibt es besondere Traditionen in der Küche, die den Zusammenhalt im Team stärken?
Wenn wir Zeit haben spielen wir vor dem Feierabend manchmal «Ich packe in meinen Koffer». Das habe ich eingeführt. Das ist immer mega lustig, aber auch ein schwieriges Denkspiel. Wenn man am nächsten Tag noch weiss, was alles in den Koffer gepackt wurde, dann kriegt man ein Schoggistängeli. Wir haben schon die verschiedensten Küchengeräte «eingepackt». Oder einmal haben alle ihre Katzen eingepackt. Dann musste man am nächsten Tag wieder all die verschiedenen Namen der Katzen von den jeweiligen Personen wissen. Es ergibt sich immer wieder so ein Thema und dann ziehen wir es voll durch. Das ist für alle immer sehr lustig.

 

Wie trägt deine Arbeit zur Zufriedenheit der Bewohner:innen und Mitarbeitenden der Stiftung bei?
Es ist so schön, was man alles mitgeben kann, was dann sicherlich einen Einfluss auf die Zufriedenheit hat. Ich hatte erst gerade eine Situation mit Gabriel, einem unserer Mitarbeiter als Beispiel: Ich sage immer wieder: «Wenn du an dich glaubst, dann kannst du. You can!». Das sage ich zu mir selbst aber auch während der Arbeit zu anderen. Letztens wollte ich dann einen schweren Behälter am richtigen Ort platzieren – was sehr schwer war und ich sagte: «Oh scheisse, chan i jetz das?» und Gabriel schaut mich an: «Floresli, du seisch üüs o emmer mer cheu das – gloub a de!» Und das war so schön – zu merken, dass was ich sage auch ankommt und es nun zu mir zurückkommt. Es geht eben nicht nur um die Arbeit, sondern auch um das Persönliche. Was man mitgeben kann. Und gerade dieser Ansatz «goub a dech», finde ich ist für jede Person wichtig. Wenn man an sich glaubt kann man gleich viel mehr als wenn man denkt, dass man etwas bestimmtes hat und deshalb das sicherlich nicht kann. Vielen Menschen mit Unterstützungsbedarf wird genau das eingeredet. Dass sie aufgrund ihrer Beeinträchtigung etwas nicht machen können. Und mit diesem Ansatz merkt man, dass das eben nicht so ist. Wenn man an sich glaubt kann man mehr als man denkt!

 

Was machst du in deiner Freizeit? 
Ich bin sehr gerne mit meinen Kolleginnen. Immer am Samstagmorgen gehen wir zusammen ins Stretching und danach «go käfele». Klatsch und Tratsch und ein bisschen Dehnen. Das ist immer so ein Highlight – ich freue mich jedes Mal.
Mit meinem Freund zusammen tanze ich ausserdem regelmässig Salsa. Das ist auch sehr cool.
Und sonst mache ich allgemein viel Sport. Ich war im Geräteturnen und im Karate. Das glauben sie mir hier nie! Ich wurde schon aufgefordert meine Karate-Gürtel mitzubringen als Beweis (lacht). Und sonst bin ich allgemein einfach gerne unter Leuten. Mit Familie, Freunden, aber auch hier. Ich bin eine sehr kontaktfreudige Person.

Ich reise auch gerne. Ich war erst gerade in Sri Lanka. In Indien war ich auch schon. Ich lerne gerne neue Kulturen kennen. Auch das Essen und die Menschen, die da leben sind immer sehr interessant. Menschen sind eigentlich mein Hobby.


Gibt es persönliche Ziele, die du anstrebst?

Ja, ich habe viele Ziele. Ich führe eine Bucket-List mit über 100 Zielen, die ich habe. Diese Liste führe ich schon seit klein auf. Köchin EFZ stand da beispielsweise drauf, das habe ich erreicht. Oder Fallschirmspringen, das habe ich jetzt auch schon abhaken können.

Aber so das grösste Ziel, das ich verfolge ist eine Reise nach Afrika. Da will ich ein Projekt mit Kindern unterstützen. Kochen oder Schule geben – etwas unterrichten. Das ist schon seit langem jetzt eigentlich das grösste Ziel, das ich gerne umsetzen würde.

 

Was findest du das Schönste an der Stiftung WBM?

Der Umgang untereinander. Mitarbeiter mit und ohne Beeinträchtigung, Personen mit und ohne Leitungspositionen. Alle sitzen am Mittag durchmischt zusammen am Tisch, lachen und haben es lustig. Man interessiert sich für jede Person, alle sind sich gegenseitig positiv eingestellt. Es ist ein Miteinander hier. Man ist mit allen per Du. Ich habe schon in verschiedensten Betrieben gearbeitet aber so wie hier, habe ich dieses Gemeinschaftsgefühl noch nie erlebt. Das macht die WBM aus.

 

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